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AutorenbildDr. Mitsche

Behandlung von Alexithymie – Emotionen erkennen und ausdrücken lernen

Aktualisiert: 4. Nov.

Alexithymie, oft als "Gefühlsblindheit" bezeichnet, beschreibt die Schwierigkeit, eigene Emotionen wahrzunehmen, zu benennen und auszudrücken. Menschen mit Alexithymie empfinden oft eine innere Leere oder Unsicherheit über ihre Gefühlswelt, was ihre sozialen Beziehungen und das persönliche Wohlbefinden erheblich beeinflussen kann.



Als Klinische Psychologin möchte ich Ihnen zeigen, welche Ansätze es zur Behandlung von Alexithymie gibt und wie das Zürcher Ressourcen Modell (ZRM) helfen kann, eine stärkere Verbindung zu den eigenen Emotionen zu entwickeln.


Was ist das Zürcher Ressourcen Modell (ZRM) und wie hilft es bei Alexithymie?


Das Zürcher Ressourcen Modell (ZRM) ist ein wissenschaftlich fundierter Ansatz, der darauf abzielt, persönliche Ressourcen zu aktivieren und eine nachhaltige Verhaltensänderung zu ermöglichen. Entwickelt an der Universität Zürich, basiert das ZRM auf den Grundsätzen der Selbststeuerung und Selbstregulation. Für Menschen mit Alexithymie bietet es eine strukturierte Herangehensweise, um emotionale Blindheit zu überwinden, indem es ihnen hilft, den Kontakt zur eigenen Gefühlswelt herzustellen.


Beim ZRM wird davon ausgegangen, dass wir Emotionen nicht nur durch reines Nachdenken wahrnehmen, sondern durch eine Verbindung zu tieferliegenden persönlichen Ressourcen und Wünschen. Menschen mit Alexithymie lernen im ZRM, auf körperliche Signale und Bilder zu achten, die ihre unbewussten Bedürfnisse und Werte widerspiegeln. Dieser Ansatz unterstützt die Entwicklung einer „emotionalen Landkarte“, die sie dabei begleitet, ihre Gefühlswelt besser zu verstehen und auszudrücken.


Das ZRM ist eine wertvolle Methode zur Förderung der emotionalen Wahrnehmung und Entwicklung eines stabilen Selbstbildes.


Andere Behandlungsansätze bei Alexithymie

Die Behandlung von Alexithymie zielt darauf ab, die Wahrnehmung und das Verständnis von Emotionen zu fördern. Hier sind einige bewährte Therapieverfahren:


1. Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)

Die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist eine häufig angewandte Methode zur Behandlung von Alexithymie. In der KVT lernen Betroffene, die Zusammenhänge zwischen Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen zu erkennen. Durch die gezielte Auseinandersetzung mit emotionalen Situationen und die Förderung der Selbstreflexion kann die Wahrnehmung und das Verständnis von Emotionen gestärkt werden.


2. Achtsamkeit und Emotionsfokussierte Therapie (EFT)

Achtsamkeitsbasierte Ansätze haben sich ebenfalls als hilfreich erwiesen. In der Emotionsfokussierten Therapie lernen Betroffene, achtsam auf ihre inneren körperlichen Empfindungen zu achten, die mit Emotionen verbunden sind. Dies fördert die bewusste Wahrnehmung der eigenen Gefühlswelt, ohne sofort zu bewerten oder zu reagieren.



3. Körperorientierte Therapie

Da Gefühle häufig auch als körperliche Empfindungen auftreten, arbeiten körperorientierte Therapieansätze gezielt an der Wahrnehmung und Deutung dieser Signale. Die Körperpsychotherapie zum Beispiel nutzt Übungen, die die Verbindung zwischen Körper und Emotionen stärken. Betroffene lernen, wie sie körperliche Reaktionen, wie Anspannung oder Herzklopfen, mit ihren Gefühlen in Zusammenhang bringen können.


4. Gruppentherapie und soziale Unterstützung

In Gruppentherapien können Betroffene von den Erfahrungen anderer lernen und soziale Interaktionen in einem sicheren Rahmen üben. Der Austausch mit Menschen, die ähnliche Schwierigkeiten erleben, kann helfen, das Verständnis für die eigene Gefühlswelt zu vertiefen und neue Perspektiven zu gewinnen.



Beispielübungen zur Förderung der emotionalen Wahrnehmung

Neben der therapeutischen Unterstützung können bestimmte Übungen im Alltag dabei helfen, den Zugang zu den eigenen Emotionen zu verbessern. Hier sind einige nützliche Übungen:


Übung 1: Emotionstagebuch führen



  • Ziel: Die Wahrnehmung und das Verständnis für Emotionen im Alltag stärken.

  • Anleitung: Schreiben Sie täglich Ihre Gedanken und Empfindungen auf. Wichtige Fragen sind: „Wie fühle ich mich gerade?“, „Was hat diese Gefühle ausgelöst?“, „Wo im Körper spüre ich diese Gefühle?“ Diese Übung hilft, Emotionen differenzierter wahrzunehmen und mit spezifischen Situationen in Verbindung zu bringen.


Übung 2: Gefühlswortschatz erweitern

  • Ziel: Den Wortschatz für Gefühle und Nuancen im Ausdruck erweitern.

  • Anleitung: Erstellen Sie eine Liste mit verschiedenen Gefühlswörtern und deren Bedeutung. Üben Sie, diese Wörter in alltäglichen Situationen anzuwenden. Dies hilft, Emotionen besser zu benennen und zu erkennen, was den Umgang mit Gefühlen erleichtert.


Übung 3: Bodyscan – Körperwahrnehmung stärken

  • Ziel: Ein Gespür für körperliche Empfindungen und deren Zusammenhang mit Emotionen entwickeln.

  • Anleitung: Legen Sie sich entspannt hin und lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit nacheinander auf verschiedene Körperbereiche, von den Zehen bis zum Kopf. Achten Sie auf Spannungen oder andere Empfindungen und versuchen Sie, diese mit Gefühlen in Verbindung zu bringen

    Eine konkrete Anleitung gibt es im ZMR mit Vorlage.



Übung 4: Emotionskarten verwenden

  • Ziel: Den Zusammenhang zwischen Ereignissen und Emotionen erkennen.

  • Anleitung: Verwenden Sie Karten mit Emotionsbegriffen wie „Freude“, „Wut“ oder „Angst“. Ziehen Sie eine Karte und reflektieren Sie, wann Sie diese Emotion zuletzt gespürt haben und welche körperlichen Reaktionen Sie dabei wahrgenommen haben. Diese Übung fördert das aktive Nachdenken über Gefühle und ihre Auslöser.


Übung 5: "Wenn, dann"-Reflexion

  • Ziel: Verbindungen zwischen äußeren Ereignissen und inneren Gefühlen erkennen.

  • Anleitung: Fragen Sie sich, welche Emotionen Sie in bestimmten Situationen fühlen, zum Beispiel: „Wenn ich kritisiert werde, fühle ich …“. Diese Übung hilft, Emotionen und ihre Auslöser besser zu verstehen und auf Dauer eine tiefere emotionale Selbsterkenntnis zu entwickeln.


Die Behandlung von Alexithymie erfordert Geduld und Offenheit für die Erkundung der eigenen Gefühle. Mithilfe therapeutischer Ansätze und Übungen können Betroffene lernen, ihre Emotionen besser zu identifizieren, zu verstehen und auszudrücken. Dies verbessert nicht nur die persönliche Lebensqualität, sondern kann auch die sozialen Beziehungen nachhaltig stärken. Der Weg zu einem gesunden Zugang zur eigenen Gefühlswelt ist ein Prozess – doch schon kleine Fortschritte können die Lebensqualität erheblich steigern.


Buchtipp:

Ich fühle, was ich will: Wie Sie Ihre Gefühle besser wahrnehmen und selbstbestimmt steuern von Julia Weber 


Quelle: ZMR und andere therapeutische Ansätze

Fotos Canvar



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