Autismus-Diagnostik im Erwachsenenalter
Immer mehr Erwachsene stellen sich die Frage, ob bei ihnen eine Autismus-Spektrum-Störung oder das Asperger-Syndrom vorliegen könnte. Der Unterschied besteht in der Ausprägung, die bei der Autismus-Spektrum-Störung schwächer ist.

Im Folgenden finden Sie eine Beschreibung von häufig auftretenden Symptomen, die allerdings individuell sehr stark differieren können:
Erwachsene mit Autismus-Spektrum-Störung haben oft Schwierigkeiten mit sozialen Interaktionen, insbesondere mit der Kommunikation. Nonverbale, mimische oder gestische Hinweise, einen besonderen Tonfall oder Anspielungen können sie manchmal nicht erkennen oder nicht richtig deuten. Gespräche werden eher auf der Sachebene wahrgenommen, es ist ihnen nur schwer möglich, „zwischen den Zeilen“ zu lesen. Es stellt für sie ein Problem dar, sich in eine andere Person zu versetzen oder die Gedanken und Gefühle einer anderen Person zu erkennen. Small Talk empfinden sie als kompliziert. Dies beeinträchtigt das berufliche, soziale, aber auch partnerschaftliche (falls vorhanden) Leben. Soziale Regeln werden nicht intuitiv verstanden, sondern meist erlernt und auf diese Weise befolgt.

Soziale Interaktionen überfordern
Der Blickkontakt zu anderen Personen fällt Erwachsenen mit dieser Störung besonders schwer. Er ist zumeist bewusst antrainiert und fällt verhalten aus, sofern er den Betroffenen überhaupt möglich ist. Gelingt es, den Blickkontakt aufrechtzuerhalten, lenkt dies auch meist vom Gesprächsinhalt ab. Im Alltag zeigen sich Rituale, Zwänge oder stereotype Verhaltensweisen als weitere Merkmale. Manche Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung oder Asperger-Syndrom nutzen in Konversationen Spielzeuge wie etwa ein Stofftier oder eine Holzkugelkette, um sich vor Reizüberflutung zu schützen bzw. sich zu beruhigen und sich besser fokussieren zu können.

Kopfhörer um dem Lärm zu entkommen
Zum Erscheinungsbild kann es auch gehören, dass die Filterung und Verarbeitung von Reizen eine besonders große Herausforderung darstellt. Beispielsweise benutzen Betroffene gerne Kopfhörer an Orten, an denen viele Menschen zusammenkommen. Durch die laute Musik können sie akustische Wahrnehmungen, die in überfüllten Warteräumen oder öffentlichen Verkehrsmitteln entstehen, übertönen bzw. ausblenden. Sie meiden Menschen, die Parfum auftragen und reagieren auf Berührungen schreckhaft. Die Interessen von Menschen mit Asperger-Syndrom oder Autismus-Spektrum-Störung sind in ihrer Anzahl beschränkt. Die damit in Verbindung stehenden Aktivitäten führen die Betroffenen am liebsten alleine durch. Oftmals kommt es zu einer Häufung von Spezialinteressen, mit denen sie sich obsessiv beschäftigen. Gleichbleibende Abläufe sowie feste Tagesroutinen sind ihnen wichtig. Mit Veränderungen und spontanen Aktionen kommen sie nur schwer zurecht.

Autismus-Diagnostik im Erwachsenenalter
Im Erwachsenenalter handelt es sich bei einer Erstdiagnose vor allem um das Asperger-Syndrom, da dieses nicht von einer Entwicklungsstörung begleitet wird, die Kognition durchschnittlich ist und das Syndrom deshalb unauffällig bleibt. Manche Erwachsene verfügen über einen überdurchschnittlichen IQ oder sind sogar hochbegabt. In der klinisch psychologischen Diagnostik werden mittels gründlicher Anamnese, störungsspezifischen Interviews und Messinstrumenten für die Selbst- und Fremdbeobachtung Daten erhoben, die zu einer Diagnose führen. Sofern dies möglich ist, werden auch Bezugspersonen in die Diagnostik mit einbezogen. In der Befundung wird festgestellt, ob die Kriterien einer Diagnose des Asperger-Syndroms nach dem Klassifizierungssystem ICD10 bzw. ICD11 erfüllt sind oder ob es sich um eine schwächere Ausprägung handelt und somit dem Autismus-Spektrum zugeordnet wird.
Viele Erwachsene sind erleichtert, wenn bei ihnen eine diesbezügliche Störung diagnostiziert wird, da sie für viele Situationen in ihrer Vergangenheit, aber auch für das Verhalten und ihre Gedanken in der Gegenwart eine Erklärung liefert. Allerdings leiden Betroffene unter den genannten Problemen und Defiziten auch dann, wenn die Diagnosekriterien nicht zur Gänze erfüllt sind.

Beratungsgespräche bzw. Therapie helfen
Die Auseinandersetzung mit der Thematik kann diese jedoch ausgleichen und die Lebensqualität im Alltag deutlich erhöhen helfen. In der Öffentlichkeit wird der Begriff „Autismus“ oft unzutreffend verwendet und damit Menschen vorschnell stigmatisiert. Für die Diagnose des Asperger-Syndroms oder einer Autismus-Spektrum-Störung ist jedoch eine psychologische Abklärung zwingend erforderlich, um andere Krankheitsbilder, die ähnliche Merkmale aufweisen, ausschließen zu können.
Falls Sie Symptome oder Merkmale beobachtet haben, die ein Vorliegen des Asperger-Syndroms oder einer Autismus-Spektrum-Störung nahe legen, können wir gerne einen Termin für eine diesbezügliche Abklärung vereinbaren.
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