Wenn Perfektionismus zur Depression führt, geschieht dies gepaart mit einem zu hohen Anspruch an sich selbst. In unserer leistungsorientierten Gesellschaft leiden viele Menschen unter ihrem Perfektionismus und ihrem zu hohen Anspruch an sich selbst. Nach außen wird versucht ein perfektes Leben zu zeigen.
Der Erhalt des perfekten Äußeren, beruflichen Erfolg und vielleicht noch perfekten Haushalt ist nicht umsetzbar und wird psychisch belastend. Somit hat man den Weg für eine Depression geebnet. Erreicht man diese, spricht man von einer Perfectly Hidden Depression, einer versteckten Depression.
Perfektionistisch zu sein ist auf den ersten Blick nicht unbedingt schlecht. Es bringt uns dazu uns zu fokussieren und möglichst fehlerfrei zu sein. Gepaart mit einem hohen Anspruch an uns selbst erleichtert es uns, Ziele zu erreichen. Eine positive Eigenschaft ist dies, solange ich mit Misserfolgen und nur teilweise erreichten Zielen gut umgehen kann, diese akzeptiere und gelassen nehme.
Genügt eine Leistung nicht meinem persönlichen Anspruch oder ich erreiche ein Ziel nicht zur Gänze, kann dies bei Menschen zu so einer schlechten Stimmung führen, dass sie sich als Mensch im gesamten in Frage stellen.
Das Ziel knapp verpasst
Dies bedeutet, schaffe ich zum Beispiel eine Strecke knapp nicht in der mir vorgenommen Zeit zu laufen, nehme ich dies nicht als Hinweis, dass ich schon nahe dran war, sondern glaube plötzlich, dass ich ein schlechter Läufer und in weiterer Folge schlecht im Sport bin. Ich bin ein Versager und werde immer scheitern.
Der Wunsch eine perfekte Mutter und Hausfrau zu sein
Erwarte ich von mir als Mutter jeden Tag eine gute Laune für mein Kind zu verbreiten, die Wohnung perfekt aufgeräumt zu haben und am Sonntag, wenn Besuch kommt, den selbstgebackenen Kuchen auf den Tisch zu stellen, erlebe ich mich als schlechte Mutter und Hausfrau, wenn ich dies nicht schaffe. Im Extremfall glaube ich, dass meine Familie ohne mich besser dran wäre, da ich nur zur Last falle, da ich meine Leistung nicht erbringe und immer wieder versage.
Es muss der selbstgebackene Kuchen sein
Den Anspruch zu haben, etwas perfekt machen zu müssen, bringt uns unweigerlich dazu, Dinge nicht zu schaffen. Perfektionismus ist nicht erreichbar. In dem Moment, wenn wir registrieren, dass wir etwas nicht so umgesetzt haben, wie wir es von uns erwartet haben, bringt es uns also dazu uns selbst in Frage zu stellen. Aus einer vermeintlichen Kleinigkeit wird ein Weltuntergangsszenario.
Die Versagensangst, der Verlust an Wertschätzung und Angst vor dem Scheitern begleitet den Perfektionismus und bereitet somit den Weg in die Depression. Diese ist nach außen meist nicht sichtbar, denn die Wohnung ist perfekt aufgeräumt, man hat Erfolge im Beruf und einen perfekten Freundeskreis, der auf einen zählt. Ein glückliches, perfektes Leben sieht man von außen.
Das perfekte Bild nach außen.
Wie es innen jedoch aussieht, weiß man nur selbst. Dies wird auch Hidden Depression, aus dem Englischen übersetzt, versteckte Depression genannt und selten als Depression diagnostiziert.
Gelingt einem etwas ausreichend gut, erhöht sich die Stimmung kurzfristig. Man bekommt Anerkennung und Wertschätzung von außen und für kurze Zeit bemerkt man selbst nichts mehr von der bestehenden Depression. Da die Anerkennung und Wertschätzung von außen kommen, ist man immer wieder auf der Suche und hat den Drang wieder etwas perfekt zu machen oder einen Erfolg einzufahren, damit man wieder so ein Hochgefühl hat.
Erreicht man dann Ziele nicht, übernimmt die Depression wieder die Führung. Dies kann man auch mit einer Suchtdynamik vergleichen.
Den eigenen Ansprüchen nicht genügt
Hat man etwas möglichst perfekt umgesetzt, geht dies mit dem Gefühl die Kontrolle über die Situation zu haben einher. Das Gefühl die Kontrolle zu haben, ist für Perfektionisten wichtig. Setze ich etwas nicht perfekt um, habe ich das Gefühl eines Kontrollverlustes. Dies kann Angst bis hin zu Panikattacken auslösen. Situationen, die für einen schwierig sind oder die man erfahrungsgemäß nicht perfekt bewältigt, werden vermieden.
Nicht nur Situationen versucht man zu kontrollieren, sondern auch sich selbst. Oft fehlt einem der Zugang zu den eigenen Gefühlen. Psychische Verletzungen werden oft geleugnet. Sich den eigenen Schwächen zu stellen wird vermieden.
Dr. Margaret Rutherford, Psychologin in den USA, beschreibt dieses Phänomen auch als Perfectly Hidden Depression.
Das perfekte Leben?
Nach außen führt man wie oben beschrieben vielleicht das perfekte Leben, aber in einem selbst sieht es anders aus. Ängste, Selbstzweifel, auch eine innere Leere begleiten oft den Alltag.
Sie beschreibt die Perfectly Hidden Depression an folgenden Merkmalen:
Man ist perfektionistisch, ständig angetrieben durch die eigene innere Stimme, begleitet von Angst und Scham
Es zeigt sich ein übertriebenes Verantwortungsbewusstsein und man sucht ständig nach Lösungen
Es fällt einem schwer, schmerzhafte Gefühle zu akzeptieren und auszudrücken.
Missbrauch oder ein Trauma aus der Vergangenheit oder Gegenwart wird ignoriert oder sogar geleugnet
Sie machen sich große Sorgen (aber verbergen diese Gewohnheit) und vermeiden Situationen, in denen Sie keine Kontrolle haben.
Man konzentriert sich stark auf die Aufgaben und fokussiert sich dabei auf die Erwartung der anderen und nutzt dann die Leistung dafür, um sich bestätigt oder wertgeschätzt zu fühlen. Während der Erfolg verblasst, verspürt man einen neuen inneren Druck und jeder errungene Erfolg wird rückblickend abgewertet.
Man sorgt sich um andere, um ihr Wohlergehen, aber man lässt kaum jemanden emotional an sich selbst heran
Man glaubt fest daran, dankbar sein zu müssen über das was man hat, eine andere Einstellung wäre ein Mangel an Dankbarkeit.
Es zeigen sich emotionale Schwierigkeiten bei zwischenmenschlichen Beziehungen, man ist beruflich aber erfolgreich.
Möglicherweise gibt es begleitende psychische Gesundheitsprobleme, die Angst- und Kontrollthematiken beinhalten, wie z. B. Zwangsstörungen, generalisierte Angststörungen, Panik und / oder Essstörungen.
Psychologische Behandlung hilft
In meiner Tätigkeit als Psychologin, hatte ich selbst immer wieder vor allem Frauen als Klienten, die unter dieser Depression litten. Besonders verhaltenstherapeutische Methoden zeigten hier eine gute Wirkung und Erfolge. Zusätzlich zum Abbau der Depression begann für viele aber auch ein Weg, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und sich ihren psychischen Themen und oft auch ihrer Vergangenheit zu stellen. Für mich ist dies immer wieder eine sehr spannende und intensive Zeit, wenn ich Menschen mit einer versteckten Depression begleiten darf.
Literatur:
Margaret Rutherford, Perfectly Hidden Depression: How to Break Free from Perfectionism, Find Self-Acceptance, and Live a Happier Life: How to Break Free from the Perfectionism That Masks Your Depression, 2019, New Harbinger Publications
Fotos: Pixabay
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